Von Stefan Liebich
30.04.2014
Debatte
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Spiel mit dem Feuer

Stefan Liebich über verbale Zündeleien und das Völkerrecht als Grundlage einer modernen linke Außenpolitik

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Stefan Liebich (LINKE) ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages.

Erst vor wenigen Wochen hat sich die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine geäußert. Es war eine eher drastische Wortmeldung: Der Westen müsse klarmachen, dass »die NATO nicht nur auf dem Papier besteht«. »Präsenz« müsse sie an ihren Außengrenzen zeigen.

Schon unmittelbar nach ihrer Amtsübernahme hatte von der Leyen die Messlatte für Militäreinsätze im Ausland deutlich nach unten gehängt: »Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind.« Wohlgemerkt, da spricht nicht der für Polizeiarbeit zuständige Innenminister, sondern die für Bundeswehreinsätze zuständige Verteidigungsministerin. Ihre Worte stehen nicht im Widerspruch zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU, in dem man einen Verweis auf die Kultur der militärischen Zurückhaltung vergeblich sucht.

Derart ermutigt gab im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz, noch vor Putins völkerrechtswidrigem Griff nach der Krim, ...
Wie bitte?
http://www.neues-deutschland.de/artikel/931504.spiel-mit-dem-feuer.html#c51933

... auch Bundespräsident Joachim Gauck einer Politik seinen Segen, die kurzerhand das Völkerrecht infrage stellt: »Und ich weiß auch um das Spannungsverhältnis zwischen Legalität und Legitimität, das fortbestehen wird, solange der Sicherheitsrat in diesen Fragen so oft gespalten ist.«

Das harmlos daher kommende Spiel mit den Worten entpuppt sich bei genauem Hinschauen als Spiel mit dem Feuer. Denn wenn dieses »Spannungsverhältnis zwischen Legalität und Legitimität« von den Veto-Mächten des UNO-Sicherheitsrats immer so ausgelegt werden kann, wie es ihnen gerade passt, droht unsere Welt völlig aus den Fugen zu geraten.

Achnee, - als ob die "Veto-Mächte des UNO-Sicherheitsrats" genau das nicht seit je getan hätten? 
Und sind nicht fast alle diese Spielchen oft genug welche
"mit dem Feuer" gewesen?
Und ist das 
"Spannungsverhältnis zwischen Legalität und Legitimität"  nicht etwas weit über die Spaltungen des Sicherheitsrats  Hinausweisendes, - das deswegen nicht nur in den Binsenschatz der Predigten des aufgeklärten Protestantismus Eingang gefunden hat, sondern über viele Bereiche, bis hin zur Philosophie, zu bearbeiten und zu beantworten ist?

Raimund Krämer, Chefredakteur der Zeitschrift »Welttrends«, hat die Rede Gaucks an dieser Stelle scharf kritisiert: »Geschichtsvergessenheit und moralische Hybris sind mit Händen zu greifen. Das Jahr 1914 wird völlig verdrängt und gegen eine vermeintliche Instrumentalisierung der deutschen Schuld für den Zweiten Weltkrieg polemisiert.«

Denn in der Tat disqualifizierte der Bundespräsident jene, die als Kritiker von Bundeswehreinsätzen keine »aufrichtigen Pazifisten« sind, als Leute, »die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit zu verstecken«. Aus solcher Zurückhaltung kann, so Gauck, »so etwas wie Selbstprivilegierung entstehen«. Es sind beklemmende Worte und Sätze, einst sprach man gern auch von »vaterlandslosen Gesellen«.
Ja, das hat auch die Linke vom schwulen Krupp solange behauptet, bis er totgemacht wurde, - und man den richtig kernigen Kerl an der Spitze des Konzerns hatte, der bedenkenlos Krieg als industrielle Option verstand. Gleiche Rhetorik auch später in der UdSSR.
Will Liebich diese gnadenlosen Hetzen mit Gaucks nicht völlig unberechtigten Hinweis gleichsetzen?


Und überhaupt, wer war bisher bequem und weltabgewandt? Wo hat sich unser Land selbst privilegiert?
Ist es falsch, die einmalige historische Schuld, die Deutschland in seiner Geschichte auf sich geladen hat, immer zum Maßstab von aktuellen und zukünftigen Entscheidungen zu machen?
Ja, das ist falsch, wäre falsch gewesen und ist bisher auch von keiner realpolitisch wirksamen Seite je so gehandhabt worden  "die einmalige historische Schuld, die Deutschland in seiner Geschichte auf sich geladen hat, immer zum Maßstab ... zu machen"  !!
Und ja, es gab und gibt die angesprochene "Selbstprivilegierung", Weltferne usw. u. a. dort, wo wie im übernächsten Absatz argumentiert wird.

DIE LINKE jedenfalls sollte, gerade angesichts der Krise in der Ukraine, nicht der Versuchung erliegen, neues Unrecht mit altem zu relativieren.
Ja, sicher, aber die Kritik angeblicher "Geschichtsvergessenheit" weist in dieser pauschalen Form (s.o.) und den Auffassungen des beredt-lauten, aber (noch) nicht/nicht mehr BRD-kompatiblen Publikums (hallo eton!) sowie einigen Diskursen aus den "Höllen der Präpotenz" (vergl. scharf-links.de) doch gerade in diese Richtung  ...

Bereits 2007 konstatierte Oskar Lafontaine bei seiner Kandidatur für den Vorsitz unserer Partei: »Wir sind die neue Kraft, die in die deutsche Außenpolitik das Völkerrecht wieder einführen will. Seit Jahren wird das Völkerrecht in der Welt, aber auch in der deutschen Außenpolitik nicht mehr zur Grundlage der Entscheidungen gemacht. Das ist ein Skandal, denn, wie im Inneren der Staaten nur das Recht den Frieden herstellt, so kann zwischen den Staaten nur das Völkerrecht den Frieden herstellen.«

 "Frieden herstellen" kann KEIN Recht der Welt OHNE den FRIEDENSWILLEN (oder nur in Verbindung mit einem durchgesetzten Gewaltmonpol auf Seiten des Rechts ...)!!
Erst recht nicht "NUR das Völkerrecht" !!
Hier offenbart sich erneut die philosophische und sonstige Geistes-Lücke der Linken, die auch den Diskurs über Mittel-Zweck-Verhältnisse nicht geführt hat und ihm ausgewichen ist, - bis zur Löschung entspr. Beiträge.
Wenn stattdessen völlig grundlos behauptet wird, es hätte mal Zeiten gegeben, wo das VR "die" Grundlage der Entscheidungen gewesen sei, und man trete als Linke an, die Staaten der Welt, mindestens Deutschland, wieder zu diesen zurückzuführen
, dann ist da gehörig viel Weltferne enthalten.

Es gibt zu viele, die in diesen Tagen Antworten auf Fragen der Zukunft vor allem in der Vergangenheit suchen.
In der Tat!
Die UdSSR zu verteidigen oder zu bekämpfen, ist gleichermaßen sinnlos, denn es gibt sie nicht mehr.
Jou, aber nominell macht das kaum einer, eher handelt es sich um grundständige Kulturdifferenzen zw. West u. Ost, - oder um ein Reinlimpen in die aktuellen Stimmungen mit der Revanchismus/Real-Territorial-Revisionismus-Schiene.

Und die VR China wird nicht allein dadurch zum linken Bündnispartner, dass sie hin und wieder andere Interessen als die USA verfolgt. Schon jetzt hat China bei Waffenexporten Frankreich überholt.
In der Tat!
Die alten Muster passen nicht mehr - der Kalte Krieg ist zu Ende, auch wenn das einige bis heute nicht gemerkt haben oder nicht merken wollen.
Falsch! Die alten Muster der PdL-LINKEN passen nicht mehr, wonach der "Kern"-Konflikt im Kalten Krieg vor allem ein "Systemkonflikt" gewesen wäre, statt der Fortsetzung der feudalen Vorstellungen durch andere, herrschende, Klassen: Dieses Muster passt nämlich, - angesichts der nunmehr auch offen, gleichen "kapitalistischen Verhältnisse" allerorten -, nach wie vor sehr gut.

"Systemisch" war allenfalls die zähmende Wirkung einer nominellen, leider nur angeblich konkurrenzfähigen oder überhaupt gar nicht existierenden ArbeiterInnen-Freundlichkeit der Lebensverhältnisse "im Osten" auf die westl. Kapitalseite
.

Moderne linke Außenpolitik weiß immer noch, dass die ungerechte Weltwirtschaftsordnung das Hauptübel in der internationalen Politik ist.
In der Tat ist dies die Attitüde des Herrendünkels, der sich herausnimmt, mal eben im Sinne "moderner linker Außenpolitik" zu sprechen!
Der gleitet inhaltlich in den Zynismus ab, über der Frage von Krieg und Frieden, Leben(den) u. Tot(en), die alten, theoretisch wie empirio-praktisch unhaltbaren Theoreme & Phrasen zu reiten, - alles andere ist ja weder "links" noch "modern", doch:
Krieg & Frieden sind NICHT von der Wirtschaftsordung abhängig!

 
DIE LINKE wird die Einhaltung des Völkerrechts einfordern, egal, von welcher Seite es verletzt wird.
Völkerrecht um das  "Hauptübel in der internationalen Politik" die  "ungerechte Weltwirtschaftsordnung"  zu ändern,- oder ersetzen wir Stringenz jetzt mit einer Reihung schöner Sätzchen?  (wo's doch auf den Schluß zugeht ...)

Es gibt keinen Grund, dabei mit zweierlei Maß zu messen.
Gewiß ist auch diese Binse richtig, aber es gibt keinen Grund, sich allein auf "Völkerrecht" zu stützen, selbst wenn es zu einer einheitlichen Bemessung käme (SR, sie oben), was ja überhaupt nicht abzusehen ist.
Das VR kann (derzeit) nur Friedens-MITTEL, nie Friedensursache sein (letzteres nur als gobale Innenpolitik mit entspr. Gewaltmonopol).

Und es ist an uns, immer wieder deutlich zu machen, dass die Messlatte für Militäreinsätze und Waffenexporte nicht hoch genug hängen kann.
Ohne die Darlegung u. Disskussion, wie welche Maßstäbe welche Lattenhöhe(n) denn bestimmen und warum?
Denn: Jede Waffe findet ihren Krieg.
Na, wenn das SO ist, DANN brauchen wir auch keine linke Friedenspolitik, da zwecklos, solange es Waffen gibt ...

Fazit:
Nix wie (Wider-)Sprüche und ins Zynische führender Herrendünkel.